The Gentlemen - Der neue Guy Ritchie Film

Ein Blick auf den Regisseur Guy Ritchie und seinen neusten Film "The Gentlemen"

The Gentlemen - Der neue Guy Ritchie Film

Nach 12 Jahren kehrt er dorthin zurück, wo für ihn seine filmische Karriere begann. Seine Gangsterkomödie „The Gentlemen“ ist am 27. Februar in den deutschen Kinos gestartet und der neue Guy Ritchie ist ganz der alte – und zwar in Höchstform!

Dieser Ritchie – Ein kleiner Exkurs

Mit „Bube, Dame, König, grAS“ gelang ihm 1998 der filmische Durchbruch und er wurde von einem Werbe- und Musikvideoregisseur zu einer wahren Größe im Filmgeschäft. Sein Erstlingswerkt und auch der darauffolgende „Snatch – Schweine und Diamanten“ (2000) waren beliebt und mauserten sich schnell zu Kultfilmen (und verhalfen nebenbei Jason Statham zu Berühmtheit). „Stürmische Liebe“ (2002) und „Revolver“ (2005) fielen beim Publikum und an der Kinokasse durch – letzterer zu Unrecht. „Rock N Rolla“ mit Gerard Butler war 2008 Ritchies vorerst letzter Gangsterfilm. Er verließ dieses charmante Subgenre und wandte sich ambitionierten Großprojekten zu. Die Budgets schossen in die Höhe, doch sein Mitwirken an den Drehbüchern fiel weg – bis hierhin war er ein reiner Autorenfilmer.

Er drehte die beiden Sherlock Holmes Filme (2009 und 2011) mit Robert Downey Jr. und Jude Law – noch so zwei Geniestreiche mit riesiger Fanbase – an dessen langerwarteter Fortsetzung übrigens gearbeitet wird. Leider nicht mehr mit ihm im Regiestuhl, aber zurück zum Thema.

Danach kam mit „Codename U.N.C.L.E.“ (2015) ein bärenstarker Spionagefilm, der leider an vielen vorbeiging. Über den bescheuerten „King Arthur: Legend of the Sword“ (2017) reden wir am besten so wenig wie möglich. Charlie Hunnam konnte gar nicht cool genug sein um diesen Murks zu retten, aber naja, jeder liegt mal daneben. Seine Inszenierung von „Aladdin“ (2019) war nicht schlecht, aber natürlich verwischt Disneys Philosophie der filmischen Massenware die Handschrift des Autorenfilmers, der Ritchie nun mal durch und durch ist. Seine Filme sind immer dann am besten, wenn er sie selbst mit viel künstlerischer Freiheit schreibt. Wie sehr er genau darauf Bock hatte, merkt man in jeder einzelnen Minute von „The Gentlemen“. Doch wer sind diese Gentlemen überhaupt und welche Geschichte wollen sie uns erzählen?

Der Drogenbaron will in Rente

Mickey Pearson (Matthew McConaughey) hat sich von London aus ein gigantisches Marihuana-Imperium aufgebaut. Keiner weiß, wo sich seine riesigen Plantagen befinden, mit einer cleveren Strategie hält er sie vor aller Augen versteckt. Aber auch ein Millionenschwerer Gangster wie er hat irgendwann genug. Er will sich zur Ruhe setzen und sein Geschäft verkaufen. Das ist leichter gesagt, als getan. Neben dem möglichen Käufer Matthew Berger (Jeremy Strong) wollen auch andere aufstrebende Kriminelle aus dem der englischen Hauptstadt ihr Stück vom Kuchen haben und versuchen, den „Unternehmensverkauf“ zu sabotieren. Mitten in diesem Chaos taucht plötzlich der neugierige Schnüffler Fletcher (Hugh Grant) bei Mickeys rechter Hand Ray (Charlie Hunnam) auf und weiß mehr, als Ray und seinem Boss lieb ist.

Die Genialität des Films beginnt mit dieser Ausgangssituation. Fletcher überrascht Ray in seinem Wohnzimmer, führt herrlich banale Gespräche und präsentiert ihm bei einem Whisky ungefragt sein Wissen, für das er dann ganz gerne 20 Millionen Pfund hätte. Fletcher, dessen Verkörperung übrigens Hugh Grants seit langem beste Rolle ist, übernimmt die Rolle des Erzählers und schildert die bisherigen Geschehnisse des Films aus verschiedenen Perspektiven – wobei er hin und wieder von Ray unterbrochen und korrigiert wird. Er tut es übrigens wirklich, als wäre die Geschichte ein Film. Er hat sogar ein Drehbuch geschrieben. Wenn man das jetzt liest, klingt das zugegeben bescheuert, aber im Film ist diese herrlich augenzwinkernde Meta-Ebene klasse und wird auch am Ende wieder aufgegriffen.

Aller Anfang ist schwer

Diese Rahmenhandlung, zu der man immer wieder zurückkehrt, ist allerdings so genial wie problematisch. Auch wenn die ersten 30 Minuten beim zweiten Mal schauen wahrscheinlich (nicht zuletzt wegen Hugh Grant) die stärksten sind, so sind es beim ersten Mal leider die schwächsten. Der Zuschauer bekommt hier in kürzester Zeit so viele Namen, Hintergründe und Figuren um die Ohren gehauen, dass man Schwierigkeiten hat am Ball zu bleiben. Man hätte das bestimmt auch lösen können, ohne von Exposition erschlagen zu werden.

Aber es ist dann doch alles etwas übersichtlicher als es zu Beginn wirkt. Nach dieser Anfangsphase kommt man aus dem Lachen kaum noch heraus. Und anders als bei anderen Filmen, denen im letzten Drittel häufig etwas die Puste ausgeht, kann dieser sein Niveau bis zum Ende halten und bleibt spannend und wendungsreich.

Die Darsteller stehlen sich hier gegenseitig von Szene zu Szene die Schau. Aber besonders genial ist Colin Farrell, der hier einen Boxtrainer für Problemjugendliche spielt und nur widerwillig in die ganze Geschichte hineingezogen wird. Er transportiert einen Großteil der Situationskomik aus Guy Ritchies Skript, aber auch die anderen machen ihren Job unglaublich (ist ja auch einfach ein geiler Cast).

Ritchies Humor ist durchaus eigenwillig, aber clever und brillant getimt. Manchmal wirkt es, als ob er seinen eigenen Film parodiert – und im Prinzip tut er das auch. Wenn kurzerhand ein minutenlanges Musikvideo auf der Leinwand zu sehen ist, dass sich Mickey und Ray in einer Szene ansehen und mit abrupten Schnitten ihre fragenden Gesichter gezeigt werden – herrlich, vor allem vor dem Hintergrund, dass Guy Ritchie früher Musikvideos gedreht hat.

Ein Muss

Er kann es noch – nach „King Arthur“ und „Aladdin“ war ich etwas ernüchtert, aber mit „The Gentlemen“ habe ich mich neu in Guy Ritchie und seine Feder verliebt (also in seine Filme, nicht in ihn). Der Cast passt wie Arsch auf Eimer, die Story sitzt und der selbstronische Humor zündet in dieser, ich behaupte einfach mal besten Komödie seit langem (da niemand weiß, was ich mit "lange", kann man das ruhig behaupten).

Wer sich also trotz Coronavirus noch ins Kino traut, kann sich aktuell für nichts Besseres entscheiden (vorausgesetzt man hat "Parasite" schon gesehen).