Keine Zeit zu sterben - Kritik/Review

Ein letztes Mal schlüpft Daniel Craig in seine Paraderolle und muss im sowohl längsten als auch teuersten Teil der Reihe wieder einmal die Welt retten. Ist der Film ein würdiger Abschluss für seine Bond-Ära?

Keine Zeit zu sterben - Kritik/Review
© 2021 DANJAQ, LLC AND MGM.

Zu Beginn des Films brettert Bond mit einem Motorrad durch die verwinkelten Straßen eines malerischen Küstenortes in Italien. Ähnlich holprig muss man sich die Entstehungsgeschichte von Keine Zeit zu sterben vorstellen. Die ist nämlich alles andere als geradlinig. Nach Spectre von 2015 (ja, ohne Witz, so lange ist das schon her) sah es erst einmal überhaupt nicht nach einer weiteren Beteiligung von Craig aus. Damals sagte er in einem Interview wörtlich, er würde sich lieber selbst die Pulsadern aufschneiden als noch einmal James Bond zu spielen. Zwei Jahre später sagte er dann aber doch für einen weiteren Film zu. Da könnten die 50 Millionen Pfund eine Rolle gespielt haben, die man ihm geboten hat.

Doch auch der weitere Verlauf der Produktion war ein mittelmäßiges Chaos. Zunächst heuerte man den Regisseur Danny Boyle und seinen vertrauten Drehbuchautoren John Hodge an. Doch dann kam es zum Bruch. Das Filmstudio wollte das fertige Skript so nicht verfilmen. Man trennte sich, offiziell wegen „kreativer Differenzen“, wie es immer so schön heißt. Der Film wurde neu geschrieben und Regisseur Cary Fukunaga (True Detective) angeheuert – im Übrigen der erste amerikanische Regisseur eines Bond Films.

Es folgten mehrere Unterbrechungen der Dreharbeiten. Unter anderem weil Daniel Craig verletzt hat und operiert werden musste. Dann gab es noch ein verletztes Crewmitglied bei einer Explosion und außerdem wiederkehrende Schwierigkeiten bei der Terminfindung zwischen Daniel Craig und Rami Malek. Achja, und dann kam natürlich noch die Pandemie, wegen der wir mehr als ein Jahr auf den Film warten mussten. Das führte sogar zu der ulkigen Situation, dass es noch einmal Nachdrehs geben musste, aber nur aus einem Grund: Ein paar Produkte, die im Film zu Werbezwecken auftauchen waren nicht mehr aktuell. Das gab es wohl auch noch nicht.

Dem fertigen Film merkt man die schwere Geburt an. Erzählung, Action, Figuren – alles wirkt irgendwie halbherzig zusammengebastelt. Der Film knüpft an das Ende von Spectre an. Bond und seine neue Geliebte Madeleine Swann (Léa Seydoux) befinden sich eigentlich im romantischen Urlaub an der italienischen Steilküste. Dort besucht Bond das Grab seiner früheren Freundin Vesper Lynd (die starb in Casino Royal). Dort erwartet ihn ein Anschlag, gefolgt von einer wilden Verfolgungsjagd durch die mediterrane Altstadt. Für ihn steht fest: Madeleine hat ihn hintergangen und den Spectre-Killern ausgeliefert. Er verlässt sie und taucht unter. Alle anderen halten ihn für tot. 5 Jahre später wird er aus seinem selbstgewählten Exil zurückgeholt, weil eine streng geheime Superwaffe samt einem ihrer Erfinder aus einem Labor des MI6 gestohlen wurde.

Das kommt einem jetzt nicht zu Unrecht bekannt vor. Der Teil mit dem Exil ist in etwa dieselbe Ausgangssituation wie in Skyfall. Auch dort ist er nach einer actionreichen Anfangsszene für tot erklärt worden und in die Tropen abgetaucht. Das ist leider die einzige Ähnlichkeit zu Skyfall. Auch der oben geschilderte Grund für Bonds Exil ist ehrlich gesagt hanebüchen. Das gilt für viele Handlungselemente des Films.

Keine Zeit für Logik

Mit seinen 163 Minuten ist Keine Zeit zu sterben der längste Bond Film, nicht nur der Ära Craig, sondern aller Zeiten. Es ist erstaunlich, wie man in so viel Zeit, so wenig Interessantes und vor allem Eigenes erzählen kann. Und bei dem was man neu erzählt ist man so ungeschickt, dass kaum Spannung aufkommt. Der gesamte Plot der sich langsam offenbart ist unkreativ und vor allem der Bösewicht kommt ein weiteres Mal viel zu kurz. Man hat aus dem verschwendeten Christoph Waltz in Spectre nichts gelernt, man verschwendet ihn sogar noch mal. Und den neuen Antagonisten Lucifcer Safin, gespielt von Rami Malek, lässt man insgesamt 10 Sätze sagen, von denen kaum einer einen Sinn ergibt. Auch die Gesetze des Alterns scheinen für ihn nicht zu gelten. Während Madeleine von der Rückblende am Anfang bis in die Gegenwart vom kleinen Mädchen zur erwachsenen Frau geworden ist, sieht er noch genauso aus wie damals. Dazu ist weder sein Ziel deutlich zu verstehen, noch die Beweggründe dahinter. Er widerspricht sich sogar teilweise, was dem gesamten letzten Drittel des Films nochmal zusätzlich den Eindruck verleiht, erzwungen zu sein. Bond verhält sich teilweise als wäre das seine erste Arbeitswoche beim MI6 und seine Teamkollegen wissen es auch nicht besser. Na klar hat man bei einer Geschichte schon im Kopf, wie sie enden soll, aber der Weg dahin muss schon einigermaßen Sinn ergeben, sonst verliert man den Zuschauer.

Ein Quantum Hoffnung

Aber da sind sie dann doch immer wieder. Diese kleinen Momente, in denen der Bond-Vibe doch noch durchkommt. Dann entstehen wirklich tolle Bilder und Momente. Die coolsten Szenen sind ironischerweise die, die eigentliche Handlung am wenigsten beeinflussen. In einer längeren Action-Sequenz kämpft sich 007 Seite an Seite mit einer von Ana de Armas (Knives Out) gespielten Agentin durch eine elegante Partylocation in Kuba. Zwischen den Schusswechseln, beide natürlich feinster Abendgarderobe, schenkt Bond beiden erstmal einen guten Scotch ein, bevor wieder fleißig weitergeballert wird. Herrlich.

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Bond war immer anders als andere Actionhelden. An ihm war ja immer das spannende, dass man nicht in sein tiefstes Inneres gucken kann, das er keinen Seelenstriptease hinlegen muss, um uns zu faszinieren. Diese abgebrühte Art, lässig aber stilsicher, Kampfmaschine aber Gentlemen, zynisch aber mit klarem Wertekompass, ja im Prinzip wie eine Mischung aus Captain America und Iron Man – das ist James Bond. Auch die Verfolgungsjagd zu Beginn, erst mit dem Motorrad und dann mit dem legendären Aston Martin DB5, liefert ein paar ikonische Bond-Momente. Das weitere Highlight ist ein Long-Shot, in der sich Bond ohne Kameraschnitt durch ein ganzes Treppenhaus kämpft. Aber ganz ehrlich? Das war’s dann auch schon.

Mit dem Wort unwürdig lässt sich die Inszenierung des Films am besten beschreiben. Für einen beliebigen Action Film mit Mark Wahlberg oder Liam Neeson als Hauptdarsteller ist das in Ordnung, aber von einem Bond Film, vor allem dem letzten einer Ära, erwarte ich mehr als eine Schießerei im Wald. Keine Zeit zu sterben ist nicht nur der längste, sondern mit 250 Millionen auch der teuerste Bond aller Zeiten. Von dem Geld könnte man eigentlich Actionszenen drehen, an die man sich auch in 5 Jahren noch erinnert. Wie zum Beispiel die atemberaubende Eröffnungs-Szene in Mexiko aus Spectre. Egal was man zu dem Film sagt, an die kann sich jeder erinnern. Aber bis auf den einen Motorrad-Sprung, den man schon aus dem Trailer kennt, kommt da nicht viel. Alles ist irgendwie austauschbar und eher langweilig. Vielleicht hätte man sich ein bisschen was bei Konkurrenz-Filmen wie Mission Impossible abgucken sollen.

Fazit

Natürlich ist auch dieser Film immer noch auf einem hohen Niveau gedreht und man kann durchaus Spaß im Kino haben. Aber wer mehr als oberflächliche Unterhaltung erwartet, der wird enttäuscht werden. Bei aller Sympathie für die Figur und den Darsteller muss das Resümee der gesamten Craig-Ära am Ende eher ernüchternd ausfallen. Casino Royal war damals Start- und zugleich auch Höhepunkt der Reihe und hat einen Scheck ausgestellt, der eigentlich nie so richtig eingelöst wurde. Skyfall gesellt sich als weiteres Meisterstück dazu, aber sowohl Ein Quantum Trost als auch Spectre haben die meisten stark enttäuscht. Erst bestand noch die Hoffnung, dass die Reihe das abwechselnde auf und ab beibehält und mit Keine Zeit zu sterben einen würdigen Abschluss findet. Aber stattdessen steckt man Craig in blutleere Beziehungen, scheucht ihn durch ein lieblos konstruiertes Drehbuch und ist so sehr damit beschäftigt alle möglichen Figuren noch einmal zu zeigen und Anspielungen an die Bond-Klassiker einzubauen, dass auch die 163 Minuten Laufzeit nicht reichen. Es bleibt Keine Zeit für ein gutes Ende.