Dune - der beste Film des Jahres?
Er gilt als einer der besten Regisseure unserer Zeit. Nun soll er mit DUNE sowohl seinen, als auch den besten Film des Jahres abgeliefert haben. Aber ist das wirklich so?
Um es gleich vorwegzunehmen: Ja! Gut, das Jahr ist natürlich noch nicht vorbei. Diese Woche zum Beispiel startet der neue Bond. Aber seinem eigenen Schaffen hat Villeneuve mit Dune definitiv die Krone aufgesetzt. Es ist als hätte er sich mit seinen bisherigen Science-Fiction Filmen für dieses Projekt vorbereitet. Und tatsächlich ist da auch etwas dran. Wie er selbst bekennt, ist er seit seiner Kindheit ein riesiger Fan der Buchreihe. Diese in seiner ganz eigenen Art auf die große Leinwand zu bringen war von Beginn an der große Traum seiner filmischen Karriere. Diese Begeisterung spürt man in jeder Filmminute - vorausgesetzt man kommt mit der Handlung mit.
Herrschaft, Feindschaft und Religion
Mit dem ersten Dune-Roman von 1965, dessen erste Hälfte nun verfilmt wurde, schuf der Autor Frank Herbert eine hochkomplexe Zukunftsvision der Menschheit. Es ist das Jahr 10191. Die Menschheit hat sich schon seit langem das Universum erobert und besiedelt. Die Idee der Demokratie hat man blöderweise auf der Erde liegen lassen. Stattdessen gibt es nun Adelshäuser, die die Macht unter sich aufteilen und wiederum dem alles beherrschenden Imperator unterstehen. Die wichtigste Substanz des Universums ist das sogenannte „Spice“. Das sieht ein bisschen aus wie orangenes Glitzer-Koks und ist eine Mischung aus psychoaktiver Droge und magischer Ressource. Ohne das Spice sind viele Dinge, z.B. die interstellare Raumfahrt, nicht möglich. Tja und dieses Spice gibt es nur auf einem einzigen Planeten im ganzen Universum: Arrakis, auch genannt Dune, ein ziemlich lebensfeindlicher Wüstenplanet. Seit Ewigkeiten herrscht dort das Haus Harkonnen und produziert so viel Spice wie möglich, Unterdrückung der Bevölkerung und Einheimischen inklusive. Die Handlung beginnt damit, dass der Imperator dem Haus Harkonnen diese Herrschaft entzieht, und stattdessen dem Haus Atreidis die Gewalt über Arrakis überträgt. Die sind wesentlich freundlicher gesinnt und planen sogar eine Allianz mit den Einheimischen, die sich Fremen nennen. Im Zentrum der Handlung steht Paul Atreidis, der Sohn des Herzogs Leto. Sein Vater sieht in ihm schon seinen Nachfolger und die Zukunft des Hauses, aber er selbst fühlt sich zu anderem bestimmt. Er interessiert sich nicht nur für Arrakis und die Fremen, sondern wird sogar von Träumen und Visionen heimgesucht, die ihm seine Zukunft in der Wüste zeigen. Dort erwartet das Wüstenvolk ihn sehnsüchtig als eine Art Messias. Eine Rolle die ihm eigentlich gar nicht zusagt. So bricht die Familie mit all ihrem Gefolge in Richtung Wüstenplanet auf und nimmt den Zuschauer mit in ein Kino-Erlebnis, das es so lange nicht mehr gegeben hat. Während die Buchkenner sich vor allem an Inszenierung und Bildgewalt berauschen dürfen, wartet auf uneingeweihte eine spannende und wendungsreiche Handlung, die bis zur letzten Minute fasziniert und durch ihr Ende mittendrin direkt Hunger auf die Fortsetzung macht.
Man merkt es aber schon, allein die Ausgangssituation dieser Geschichte zu erklären ist sehr schwierig. Umso beeindruckender ist es, wie der Film den Zuschauer leichtfüßig in diese Welt entführt und sie lebendig werden lässt. Man fühlt sich an Game of Thrones erinnert. Also an die guten Staffeln. Dune gelingt es, sich auf das wesentliche zu fokussieren und nicht jedes kleine Detail der aufzuzählen. Genau daran scheiterte die Verfilmung aus den 80er Jahren. So aber wird die Handlung verschlankt und die Informationsflut für den Zuschauer angenehm verdünnt. Gleichzeitig verstecken sich an unzähligen Stellen Anspielungen, die dem eingeweihten Buchleser vermutlich sofort auf- und gefallen werden. Beim sogenannten World-Building zeigt sich aber einmal mehr, dass der Film für die große Leinwand gemacht ist. Wer ihn daheim auf dem Sofa schaut, nebenbei isst und alle 40 Sekunden aufs Handy guckt, der wird schon recht schnell nicht mehr verstehen wo oben und unten ist. Im Kino ist das zum Glück anders. Da sind wir der Geschichte ausgeliefert und werden von ihr eingenommen. Dort entfaltet sie sich mit all ihrer Gewalt, Intimität und Größe – so wie es sein soll.
Ein neues Herr der Ringe?
Die Analogie zum größten aller Fantasy-Epen wird vielerorts heraufbeschworen, ja sich vielleicht auch herbeigewünscht. Zumindest die Rahmenbedingungen kommen nicht um Ähnlichkeiten umhin. Beides basiert auf Romanen, die ihr Genre maßgeblich geprägt oder sogar erst erfunden haben und an denen sich andere Autoren bis heute bedienen. Und beide Werke galten – wenn man ehrlich ist, auch zu Recht – als völlig unverfilmbar. Zu kompliziert waren die Welten, zu fantasievoll die Settings und zu hoch die Hürde für die Technik der Zeit. Beides war schonmal angegangen worden, in allen Fällen ziemlich miserabel. David Lynchs Film „Dune – der Wüstenplanet“ von 1984 war sogar so ein Desaster, dass der Regisseur sich selbst davon distanziert. Was dabei herauskam, so betont er bis heute, habe nichts mit seiner Vision zu tun und sei der größte Fehler seiner Karriere. Das kann man so stehen lassen. Wenn Dune auch inhaltlich wenig bis gar nichts mit dem Herrn der Ringe zu tun hat, so zeigt Villeneuve doch genau wie einst Peter Jackson, dass sich sehr wohl ein filmisches Meisterwerk aus der anspruchsvollen Vorlage machen lässt. Hoffen wir, dass er nicht irgendwann auf die Idee kommt, eine CGI-überladene und völlig unnötig auf drei Filme gestreckte Vorgeschichte mit dem Titel „Der Freme“ zu machen.
Ein Plädoyer für das Kino – zu sehen und zu hören
Nach dem Abspann kommt einem zunächst nur ein Wort über die Lippen: Wow. Dieser Film ist ein Erlebnis. Wer ein IMAX oder Dolby Atmos Kino in der Nähe hat, sollte ihn sich unbedingt dort anschauen. Villeneuve weiß die Leinwand zu nutzen. Während Streaming-Produktionen, bedingt durch das Endgerät, häufig von Nahaufnahmen dominiert werden, bekommen wir hier fühlbar endlose Weiten geboten. Würde man den Film an zufälligen Stellen pausieren – in 9 von 10 Fällen könnte man das Bild auf Leinwand drucken und als Kunstwerk in eine Fotogalerie hängen, ohne dass es jemandem auffällt.
Obwohl die Darsteller sich gegen diese Bildgewalt behaupten müssen, überzeugt jeder von Ihnen bis zuletzt. Vor allem Timothée Chalamet haut einen wirklich um. Seine Figur des Paul Atreidis wird zur glaubhaften Identifikationsfigur. Man kann ihm die inneren Konflikte förmlich vom Gesicht ablesen. Aber auch Oscar Isaac als Pauls Vater ist ein Goldgriff. Dasselbe gilt für Stellan Skarsgård als finster verfetteter Baron Harkon. Die Verkörperung und auch die Inszenierung all dieser Figuren ist durchweg brillant - erst recht mit der komikhaft albernern Verfilmung von David Lynch im Hinterkopf. Leider bekommen ein paar Darsteller mit ihren Figuren etwas zu wenig Screen-Time, zum Beispiel Jason Momoa als Soldat Duncan Idaho oder Zendaya als mysteriöse Freme, aber irgendwo musste bei dem Umfang der Geschichte nun mal gekürzt werden.
Die letzte Wahrnehmungsebene wäre die Musik. Ihr ahnt es schon: auch die ist genial. Hans Zimmer verprügelt uns regelrecht mit Geräuschen, die man so noch nicht gehört hat. Hätte man vorher behauptet, Dudelsack-Musik in einem Science Fiction Film könne Gänsehaut erzeugen - man wäre vermutlich eingewiesen worden. In anderen Szenen hingegen lässt der Meister der Filmmusik die Stille zu uns sprechen, oder nichts als den leise über das Sandmeer streifenden Wüstenwind. Dabei möchte die Musik uns nicht aufzwingen, was wir gerade zu fühlen haben, sondern ergänzt das Bild einfach nur um eine weitere Dimension der atmosphärischen Vereinnahmung.
Diese Andersheit, diese Ernsthaftigkeit macht Dune zu so viel mehr als zum Beispiel die neuen Star Wars Filme, wo man vergeblich nach einer bewegenden Szene sucht, die nicht durch einen flachen One-Liner abgewürgt wird. Wer Dune schaut, der hat zum ersten mal seit Langem wieder das Gefühl, an etwas ganz großem teilzuhaben. Es ist Villeneuves bester Film und definitiv der beste des Jahres 2021 - daran wird auch Bond nichts ändern können. Es bleibt also zu hoffen, dass genügend Menschen die Reise nach Arrakis antreten, damit es nicht die letzte bleibt.