Der Anfang vom Ende des Kinos - wie wir es kennen
Netflix hat in den vereinigten Staaten ein Kino gekauft. Das könnte den Anfang vom Ende des Kinos einläuten - zumindest, wie wir es kannten.
Auf den ersten Blick ist es eine Nachricht, die jedem Cineasten ein Lächeln aufs Gesicht zaubern sollte. Vor 2 Wochen wurde bekannt gegeben, dass das „Paris Theatre“ in New Yorks Stadtteil Manhattan nun doch vor einer Schließung gerettet wurde. Nicht, dass ich da morgen mal eben für einen Film hinfliegen wollte, aber es geht ja ums Prinzip. Immer häufiger kommt die Frage auf, ob man Kinos überhaupt noch braucht. Da ist es doch schön zu hören, dass sich diese Institution nicht kampflos geschlagen gibt. Doch dann liest man weiter und erfährt den Hintergrund. Der Streaming Gigant Netflix hat das schließungsgefährdete Kino gekauft – und könnte damit vielleicht den Anfang vom Ende des Kinos eingeläutet haben. Zumindest des Kinos, wie wir es bisher kannten.
"We’re beyond thrilled to announce that the doors to New York’s iconic Paris Theatre will remain open” – Netflix auf Twitter
Es ist ein kleines Kultkino in der New Yorker Innenstadt. Es hat nur einen einzigen Kino Saal, der dafür allerdings mehr als 500 Personen Gelegenheit zum Filme schauen bietet. Seit knapp vier Jahren ist es das einzige „single-screen“-Kino des Stadtteils. Im Januar 2016 musste der einzige Mitbewerber schließen. Dasselbe Schicksal drohte nun dem „Paris Theatre“, doch nachdem die Schließung bekannt gegeben wurde, nutzte Netflix die Gelegenheit zum Kauf. Warum hat der Streaming Marktführer das getan? Und was ist daran jetzt so besonders?
Die Hintertür für die Oscars
Für die Nominierung der berühmten Academy Awards gibt es ein paar fest definierte Zulassungsvoraussetzungen. Unter anderem muss ein Film einen offiziellen Kinostart haben und für mindestens eine Woche in den USA im Kino zu sehen sein. Um seine Eigenproduktionen ebenfalls für die begehrten Filmpreise ins Rennen schicken zu können, hatte Netflix die Filme bisher einfach in einigen ausgewählten Kinos gezeigt, um formal die Voraussetzungen zu erfüllen.
Das ist auch der Grund, weshalb es zum Beispiel den aktuellen THE IRISHMAN von Martin Scorsese schon vor dem Netflix Start im Kino zu sehen gab. Allerdings gibt es immer häufiger Probleme mit den Kinobetreibern – auch hier in Deutschland.
Die meisten Kinos, sowohl in den USA als auch hierzulande, boykottierten den Film. Allen voran natürlich die großen Kinoketten. Der Grund liegt auf der Hand: Netflix steht sinnbildlich für die größte Bedrohung des Kino-Geschäftsmodells: Das Streaming. Und seinem Feind auch noch eine Bühne zu geben, dass haben viele Kinobetreiber nicht eingesehen. Für den Fall, dass dieser Boykott sich noch weiter verhärtet hat Netflix nun vorgesorgt – mit einem eigenen Kino. So einfach kann es gehen.
Der Plan von Netflix ist, wenig überraschend, in dem Kino nur eigene Produktionen zu zeigen. Um zu verstehen, was das für die Kino Landschaft bedeuten könnte, müssen wir uns kurz die Entwicklung auf dem Streaming Markt anschauen.
Ein Blick zurück
Spult man zurück zum Beginn dieser Branche, lag der Fokus bei den wenigen Mitbewerben (Netflix ab ca. 2007, Amazon ab 2010) in den ersten Jahren auf einem breit gefächerten Angebot von Filmen verschiedenster Filmstudios. Als der Markt und damit die Konkurrenz langsam größer wurde, merkten die meisten Anbieter schnell, dass man sich nicht von den anderen abheben kann, wenn man dieselben Filme und Serien anbietet wie der Konkurrent. Netflix legte mutig vor und verkündete, sich in Zukunft auf eigene Produktionen zu fokussieren. Amazon folgte. Streamingdienste, die das nicht taten, konnten nicht lange bestehen (z.B. Watchever, 2013-2016). Seitdem kommen bis heute zwar immer noch Lizenzinhalte ins Angebot, aber der Fokus liegt deutlich auf den eigenen Produktionen, bei Netflix noch stärker als bei Amazon. Parallel dazu bahnt sich der nächste große Schritt der „On-Demand“ Welt an, diesmal angeführt vom größten Filmstudio der Welt: Disney.
Der Mäusekonzern kündigte im August 2017 an, einen eigenen Streaming Dienst auf den Markt zu bringen und ab Ende 2019 keine Lizenzen mehr an andere Anbieter zu vergeben. Heute, mehr als 2 Jahre später, sehen wir mit Disney+ das Ergebnis. Was folgte war wie eine Kettenreaktion. Alle großen Filmstudios, die sogenannten „Big Six“, machten die gleiche Ankündigung. Alle wollen langfristig einen eigenen Streamingdienst anbieten, auf dem es jeweils exklusiv die eigenen Produktionen zu sehen gibt. Das Nachsehen hat am Ende natürlich der Verbraucher – will er sich nicht auf ein Filmstudio einschränken, muss er demnächst sehr tief in die Brieftasche greifen. Was hat das jetzt mit dem Kino zu tun?
Exklusivität im Kino – Heute Cola, morgen Filme
Mit dem geplanten Kino für Eigenproduktionen ergreift Netflix nun die erste Maßnahme, um dieses Prinzip der Exklusivität auch auf die Kinolandschaft zu übertragen. Vielleicht ist es jetzt, da dieses Tabu gebrochen wurde, nur noch eine Frage der Zeit, bis Studios wie Disney ebenfalls irgendwo ein Kino eröffnen, in dem nur die eigenen Filme gezeigt werden. Heute haben Kinos exklusive Verträge mit Getränkemarken – bei Cinemaxx gibt es Coke, bei Cinestar gibt es Pepsi. Sind als nächstes die Filme dran? Spinnt man diesen Gedanken ein paar Jahre weiter, dann hängen über den Eingängen der Lichtspielhäuser irgendwann nicht mehr Namen wie „Cinestar“ oder „Cinespace“, sondern die Logos der Filmstudios und Streaming Anbieter – begleitet von einer großen Beschneidung der Wahlfreiheit und der Angebotsvielfalt. Zum Glück gibt es auch einiges, was dagegen spricht - hoffen wir also, dass ich falsch liege und diese düstere Vermutung sich niemals bewahrheitet.