1917 – Der ungeschnittene Krieg

Bei den Golden Globes hat er die Preise für die beste Regie und den besten Film abgeräumt und nun ist er für 10 Oscars nominiert – der Kriegsfilm „1917“ wurde heiß erwartet und ist nun am 16. Januar in den deutschen Kinos gestartet.

1917 – Der ungeschnittene Krieg

Bei den Golden Globes hat er die Preise für die beste Regie und den besten Film abgeräumt und nun ist er für 10 Oscars nominiert – der Kriegsfilm „1917“ wurde heiß erwartet und ist nun am 16. Januar in den deutschen Kinos gestartet. Die Besonderheit: Der Film besteht aus einer einzigen Kamerafahrt, ohne sichtbaren Schnitt.

Sam Mendes (Skyfall, Spectre) inszeniert hier nach dem genialen „Jahrhead – Willkommen im Dreck“ seinen zweiten Kriegsfilm. Im titelgebenden Jahr befindet sich der 1. Weltkrieg auf dem Höhepunkt. Die Engländer glauben die Deutschen zurückgedrängt zu haben und wollen einen finalen Angriff starten – doch viele Kilometer von der Front entfernt weiß man es bereits besser. Die 1600 Mann starke Kompanie läuft direkt in eine Falle – es sei denn, die zwei jungen Soldaten Schofield und Blake, dessen Bruder sich unter den Todgeweihten befindet, schaffen es, sich rechtzeitig zu ihnen durchzuschlagen und sie zu warnen.

Ein visuelles Meisterwerk

Der technische Aufhänger des Films ist zugleich seine größte Leistung. „1917“ besteht aus einer einzigen Kamerafahrt, ohne einen sichtbaren Schnitt – im Fachjargon nennt man das eine „Plansequenz“. Das taucht häufig mal in Filmen auf und ist immer ein optischer Leckerbissen. Populäre Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit wären die Kirchenszene aus „Kingsman: The secret Service“ oder die Treppenhausszene aus „Atomic Blonde“. Einen ganzen Film so zu inszenieren ist ein logistisches Wunderwerk von Sam Mendes und vor allem seinem Kameramann Roger Deakins (Sicario), mit dem er bereits in „Jarhead“ und „Skyfall“ zusammengearbeitet hat.

Aber wie haben sie das gemacht? Zunächst mal gab es beim Dreh zwei Drehbücher: eines für die Dialoge und dann eins nur für die festgelegten Kamerabewegungen. Nun, natürlich kann man einen so Actiongeladenen Film mit wechselnden Umgebungen nicht tatsächlich in einem einzigen Take filmen. Es gibt Schnitte, allerdings nur wenige und die sind auch noch sehr gut versteckt. Zum Beispiel, wenn die Kamera kurz um einen Baum herumfährt, sodass der das Bild für einen kleinen Augenblick bedeckt. Dann macht man einen Tag Pause, wartet bis das Wetter wieder identisch ist und filmt dann „einfach“ von genau dieser Stelle weiter. Dazu wurden an den Drehorten in Schottland und England riesige, zusammenhängende Sets gebaut, um flüssig durch die verschiedenen Umgebungen filmen zu können. Von den voll besetzten Schützengräben über zerbombtes Niemandsland, durch einen rattenbefallenen Keller zu eingeäscherten Wäldern und zerstörten Kleinstädten.

So oder so ähnlich wird der großartige Effekt möglich, der dafür sorgt, dass ein ganz anderes Gefühl im Zuschauer entsteht. Die Distanz, die normalerweise trotz der grausamen Bilder zwischen dem Gezeigten und dem Publikum im beheizten Kinosaal besteht, verfliegt ein Stück weit. Der Film hetzt nicht, obwohl Zeitmangel das zentrale Handlungsmotiv ist. Trotzdem zieht einen das Verfolgen der Geschichte in Echtzeit in den Bann und lässt einen nicht zu Atem kommen. Die handwerkliche Leistung allein rechtfertigt die Oscars für Regie, Kamera und Szenenbild.

Bildgewalt vs. Inhalt

Allerdings muss man sich die Frage stellen, wie man den Film ohne dieses technische Alleinstellungsmerkmal einordnen würde. Zuweilen leidet die Originalität der Geschichte sehr unter dem gigantischen Aufwand der drumherum betrieben wurde. Wenn man erstmal angefangen hat auf die Kamera zu achten, ist die Faszination für diese Inszenierung manchmal größer als die Spannung der Geschichte.

Die beiden Hauptdarsteller George MacKay (Herr der Diebe) und Dean-Charles Chapman (The King) sind grandios als Soldaten-Duo. Weitere bekannte Gesichter, die auch schon in den Trailern gezeigt wurden, sind Benedict Cumberbatch (Doctor Strange) als General und Richard Madden (Game of Thrones) als Bruder der Hauptfigur Lance Corporal Blake. Deren Auftritte beschränken sich allerdings auf wenige Minuten.

Mendes, der zusammen mit einem Co-Autor auch das Drehbuch schrieb, wurde nach eigener Aussage von den Geschichten inspiriert, die sein Großvater, ein Veteran des 1. Weltkriegs, ihnen früher immer erzählt hat. Ihm ist der Film gewidmet. Und ein bisschen so fühlt sich der Film auch an. Eine eigentlich in 5 Sätzen erzählte Geschichte, eine Anekdote, kein ausschweifendes Drumherum. Das Warum, Wieso und Weshalb des Krieges, der Kontext, die Hintergründe, das „Danach“, all das spielt in diesem Film keine Rolle – weil es das für die Soldaten auch nicht tut. Die leben von einem Tag in den nächsten, versuchen irgendwie zusammenzuhalten und nicht den Verstand zu verlieren. In ruhigen Momenten, falls es die denn mal gibt, wird ihnen immer wieder klar das sie denn Sinn und Zweck das Ganzen eigentlich gar nicht verstehen – weil es ihn wahrscheinlich auch gar nicht gibt. Der Film lässt den Zuschauer mit dem was dort geschieht alleine, genauso wie es der Krieg mit den Soldaten tut.